Nachdem wir uns schon angesehen haben, wie der Körper im Ganzen aufgebaut ist und uns im Einzelnen mit dem Aufbau des Gesichts auseinander gesetzt haben, beschäftigen wir uns in der siebenten Lektion beim Aicomic Zeichenkurs mit den restlichen Körperteilen – der Konstruktion von Armen, Beinen und dem Oberkörper.
Man sieht seinen Mitmenschen meistens ins Gesicht und von daher ist es nicht verwunderlich, dass sich Zeichner und Zeichnerinnen mit den Gesichtszügen auch am stärksten beschäftigen. Doch mit dem Kopf können vielleicht die emotionalen Zustände der Charaktere beschrieben werden, für die Action benötigt man den restlichen Körper. Und damit die Comicfiguren nicht seltsam und unnatürlich wirken, muss man sich in einem ersten Schritt mit dem Aufbau der anderen Körperteile auseinander setzen. Im zweiten Schritt setzt man diese dann dynamisch in Szene.
Aufbau des Oberkörpers
Natürlich gibt es dicke und dünne Menschen – jene, mit eher gestauchtem Torso und solche, die einen langgestreckten Oberkörper haben. Prinzipiell liegt ihnen aber ein gleicher Aufbau zu Grunde, den wir als Comiczeichner nutzen können, um einerseits „Idealfiguren“ zu zeigen und andererseits in den Abweichungen davon, die Nebencharaktere auszubauen. Es empfiehlt sich wieder einmal, sich eingehend mit Anatomie zu beschäftigen und zu lernen, welche Muskeln wo liegen, um diese dann einigermaßen überzeugend darstellen zu können.
Oberkörper beim Mann: Der männliche Torso beschreibt grob gesagt (und im Idealfall) ein V – mit relativ breiten Schultern und einem schmalen Becken. Ganz so extrem, wie man es von den typischen, geometrischen Darstellungen her kennt, ist der Oberkörper zwar nicht aufgebaut, aber als erste Orientierung funktioniert die „V“-Beschreibung ganz gut. Von hier kann man dann anfangen, die Eigenheiten auszuarbeiten.
Oberkörper bei der Frau: Der weibliche Torso hingegen ist deutlich weniger V-förmig, er erinnert mehr an zwei S-Formen, die sich gegenüber stehen. Die Schultern sind in etwa auf der gleichen Linie wie das Becken und der Busen sollte eine etwas andere Position haben, als eine männliche Brust. Ganz allgemein gesprochen sollte man versuchen, den weiblichen Oberkörper schwungvoll und weich zu gestalten, um auch einen Gegenpol zu den oftmals kantigen Formen des männlichen Torsos zu haben.
Wie gesagt, hier handelt es sich um Idealformen, wie man sie häufig bei Superhelden und dergleichen antrifft, verändert man die Einzelteile – Größe und Rundung von Bauch, Busen und Hüften zum Beispiel oder die Breite der Schultern – kann man viele verschiedene Charaktere entwerfen, die so alle ihre ureigensten Eigenschaften bekommen.
Extremitäten: Arme und Beine
Arme und Beine sind ebenfalls enorm wichtig, wenn die Körperteile konstruiert werden, da sie einen Großteil der Dynamik ausmachen. Über die Längenverhältnisse der Arme haben wir ja schon in Lektion 5 gesprochen – hier soll es also weniger um Schultern und Ellenbogen, Elle und Speiche gehen, sondern viel mehr um die Hand selbst. Denn Hände sind nicht nur ein entscheidendes Merkmal des Menschen (man denke nur einmal an opponierbare Daumen und den Pinzettengriff), sie werden durch die Vielfalt ihrer Einsetzbarkeit (und die hunderttausend Tätigkeiten, die wir im Comic darstellen müssen) häufig von Zeichnern als enorm schwer zu zeichnen empfunden.
Wie bei allen Körperteilen gilt auch bei der Hand, dass es viele kleine Unterschiede gibt, die man ausloten kann – von den schlanken Fingern eines Konzertpianisten bis zu den Wurstfingern der allseits beliebten Bäckereifachverkäuferin. Und auch hier gibt es Grundmuster im Aufbau, die man durch genaues Studieren (und späteres Abstrahieren) der Knochen, Sehnen und Muskeln erlernen kann.
Aufbau der Hand: Die Finger bestehen aus mehreren Knochen, von denen man drei bei den Fingern selbst und zwei beim Daumen direkt sieht, während sich die anderen unterm Handrücken verstecken. Wenn man also eine Hand zeichnet, sollte man immer beachten, dass die Finger drei Glieder haben, die durch die Knöchel getrennt werden und an denen die Bewegungen festgemacht werden.
Tipps für das Zeichnen der Hand: Um eine realistische Hand zu zeichnen, kann man sich an einigen Dingen orientieren. Zeigefinger und Ringfinger sind fast gleichlang, der Mittelfinger ist um die Hälfte der Fingerspitzen dieser beiden länger. Der kleine Finger ist um eine Gliedlänge kürzer als der Ringfinger und der Daumen endet auf der Höhe des dritten Gliedes des kleinen Fingers. Für die Handfläche gilt, dass man die beiden Handballen als logische und nach Innen geschwungene Verlängerung von Daumen und Ringfinger betrachten kann – die Falten und weiteren Weichteile ergeben sich aus der jeweiligen Handposition bei den diversen Tätigkeiten. Ein guter Tipp ist, zwischen den Knöcheln und Gliedern leicht geschwungene Halbkreise zu zeichnen, auf denen sich die einzelnen Teile der Hand befinden.
Beine und Füße
Ohne den richtigen Aufbau der Beine könnten Comicfiguren nichts machen: Sie könnten nicht sitzen, liegen, stehen, laufen, fliegen und was sonst noch mit den Beinen gemacht wird. Die Komplexität der Körperteile wird somit vor allem in ihrer Dynamik deutlich, aber auch in Bezug auf die Muskeln. Zwei scheinbar schwierige Punkte sind dabei die Knie und die Füße: Mit beidem tun sich ZeichnerInnen häufig schwer.
Die Kniescheibe ist von ovaler Form, doch da sich hier direkt die anderen Knochen und Sehnen anschließen, wirkt es häufig, als wären um sie herum diverse Knubbel, die man nicht missachten sollte. Von der Seite kann sie oftmals sehr kantig aussehen – die beste Möglichkeit, um die Verbindung von Oberschenkel und Schienbein zu zeichnen ist, viele Knie in vielen Positionen abzuzeichen, am Besten vom Modell.
Füße sind recht schwierig, da sie im Prinzip Händen gleichen und doch ganz anders sind. Auch hier sind die Halbkreise ein guter Ansatz, um die Position von Zehen, Knöcheln, Ballen und Hacken zu bestimmen, jedoch laufen sie nicht wie bei der Hand alle in die gleiche Richtung, sondern bewegen sich beinahe Fluchtpunkt-artig selbst in einem Halbkreis. Bei einem Fuß, der fest auf dem Boden steht, kann man die Zehen in einer S-Form anordnen, denn so sieht es eher aus, als würde tatsächliches Gewicht auf ihnen lasten.
Am Ende dieser Lektion möchte ich dann noch einmal betonen, wie wichtig es ist, aus der Natur abzuzeichnen und zu versuchen, so realistisch wie möglich den menschlichen Körper darstellen zu lernen. Dabei sollte man keine falsche Scheu haben, Pietätsgründe anführen oder Dinge beschönigen, sondern wirklich versuchen, die Eigenheiten zu erfassen, die man später dann im Comic wieder einsetzen kann.
In der nächsten Woche machen wir noch einmal einen kleinen Exkurs, in dem wir versuchen werden, durch verschiedene Gesichtsausdrücke und dynamische Posen den Figuren Ausdruck zu verleihen, bevor wir dann zur nächsten Lektion kommen, die sich mit Perspektiven und Kamerapositionen beschäftigen wird.
Bis dahin: Viel Spaß beim Zeichnen!
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Hey, schöne Seite, die Zeichnungen sehen super aus =)
lg Rinii